Interview unserer Schülerzeitung Newsreport
mit der Senatorin für Bildung, Jugend und Familie Frau Sandra Scheeres anlässlich des Projekttages „30 Jahre Mauerfall“ an der Max-Bill-Schule
Interview der Schülerzeitung Newsreport mit der Senatorin für Bildung, Jugend
und Familie Frau Sandra Scheeres anlässlich des Projekttages „30 Jahre
Mauerfall“ an der Max-Bill-Schule
Das Interview führten Oskar Friede und Aaron Eidt
Newsreport: Wo waren Sie am 9.11.1989?
Scheeres: Ich habe damals in Düsseldorf gelebt und die Ereignisse am Fernseher
verfolgt. Über Monate war berichtet worden, wie die Demonstrationen anfingen, wie
immer mehr Menschen auf die Straße gingen und dann, als die Mauer fiel, war es
wirklich bewegend und beindruckend. Ich hatte den Mauerfall kaum für möglich
gehalten, weil die DDR so starr war. Die Bilder von der Nacht des Mauerfalls habe
ich immer noch im Kopf: Freude, Lachen, Party, Sektflaschen. Und auf der anderen
Seite flossen Tränen, oder Familien haben sich wieder getroffen. Davon habe ich
damals Gänsehaut bekommen.
Newsreport: Das war auch für Sie persönlich sehr berührend?
Scheeres: Ja, weil es ein wirklich großes historisches Ereignis gewesen ist.
Newsreport: Waren Sie in der darauffolgenden Zeit in Berlin und haben sich das
angesehen?
Scheeres: Meine ersten Besuche in Berlin waren mit 20, weil ich dort neben meinem
selbstfinanzierten Studium für einen Bundestagsabgeordneten gearbeitet habe.
Dann ist der Bundestag nach Berlin gezogen und deshalb war ich oft vor Ort in
Berlin.
Newsreport: Sie haben also auch den Osten und den Westen gesehen?
Scheeres: Ja genau. Wir waren im Prenzlauer Berg, welcher zu der
Zeit komplett anders war als heutzutage. Jetzt gibt es wenig besetzte Häuser.
Damals habe ich die Hausbesetzer live erlebt. Und an den grauen Altbau-Fassaden
sah man noch die Einschusslöcher aus dem Krieg. Mein damaliger Mitbewohner kam
nach Berlin um zu studieren, weil hier eben richtig was los war.
Newsreport: War Ihre Familie persönlich betroffen von Mauerbau und Mauerfall?
Scheeres: Meine Oma hatte sehr viele Geschwister, die nach dem Ersten und
Zweiten Weltkrieg in ganz Deutschland verteilt waren. Von meiner Oma sowie
meinem Vater wurde mir viel darüber berichtet. Meine Oma hatte eine Schwester, die
in Berlin lebte, was sehr aufregend war. Sie kam auch über mehrere Wochen zu
Besuch. Die Zugverbindungen waren ja damals noch nicht so ausgeprägt. Es war
wirklich wie eine Zusammenführung, weil die Geschwister durch die Kriege so verteilt
waren.
Newsreport: Sind Mauern heutzutage Lösung oder Problem von Konflikten?
Scheeres: Mauern sind nie Lösungen, Mauern bedeuten Trennung. Mauern
bedeuten, dass man sich nicht auseinandersetzt. Ich finde es schrecklich, was in
Amerika stattfindet: Trump will dort an der Grenze Mauern aufbauen. Im Fernsehen
wurde gezeigt, wie Kinder von ihren Eltern getrennt wurden. Schlimm ist das.
Newsreport: Nehmen sie die Mauer in den Köpfen der Menschen noch wahr?
Scheeres: Bei den Jungen nicht so. Ich habe selbst Kinder und da ist es kein großes
Thema. Für mich als Senatorin ist es natürlich wichtig, dass wir uns damit
auseinandersetzen und die Geschichte nicht vergessen. Ich freue mich, wenn sich
junge Menschen für unsere Gesellschaft engagieren, damit diese auch bestehen
bleibt. Denn Demokratie ist etwas ganz Wertvolles. Ich versuche, junge Menschen zu
motivieren, die Demokratie zu leben, egal ob in der Schule oder außerhalb.
Newsreport: Wie sehen Sie das bei älteren Menschen?
Scheeres: Bei älteren Menschen bekommt man das schon mit. Sie erzählen dann,
dass ihnen eben nicht alles offen stand und dass ihnen bestimmte Schulabschlüsse
verwehrt wurden und dass man nicht das machen konnte, was man wollte. Zum
Beispiel wurde einem ein Beruf zugewiesen. Manche, die sich verweigert haben, sind
zum Teil ins Gefängnis gewandert. Am Alexanderplatz gab es ein
Untersuchungsgefängnis, mittlerweile haben wir daraus einen Lernort für
Schülerinnen und Schüler entwickelt. Die Geschichten von Jugendlichen, die
vorübergehend dort im Gefängnis waren, sind schrecklich. Ein Problem war auch,
dass viele Menschen nach der Wende neu ankommen mussten, dass plötzlich nichts
mehr so war wie bisher. Sie mussten zum Beispiel einen neuen Beruf lernen oder
eine neue Ausbildung beginnen. Bestimmte Abschlüsse wurden nicht anerkannt. Das
war für viele einschneidend – für einige positiv einschneidend, für die anderen
schwierig.
Newsreport: Wie gefällt Ihnen unser neues Mauerstück?
Scheeres: Toll! Auch das Bild darauf gefällt mir sehr gut, weil es sehr aussagekräftig
ist. Die Idee, dass alle zum Meißel greifen und versuchen, dieses Mauerstück zu
durchbrechen, gefällt mir ebenfalls. Auch die Ausstellung selber ist sehr vielfältig. Ich
fand die Idee mit den Geschichten in den Kisten toll. Es war sehr unterschiedlich,
was ich dort gesehen habe. Daran sieht man auch, dass die Schülerinnen und
Schüler sich sehr damit auseinandergesetzt haben. Was besonders toll ist, dass
dieses Projekt von der ganzen Schule gelebt wurde. Ich fand es sehr beeindruckend
hier und es hat viel Spaß gemacht.
Wir bedanken uns bei Frau Scheeres für das Interview. Auch uns hat es viel Spaß
gemacht.
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